Testfahrt SWM Gran Turismo 440

  • #2


    Ich würde gerne, aber laut Händler läuft die Produktion wohl doch erst im Dezember an. Er wird aber einen Vorführer haben.


    Jens61

  • #3

    Echt???So spät erst?Habe gedacht im September/Oktober würde die Produktion schon ABGESCHLOSSEN sein.


    Schade..da müssen wir uns wohl noch Gedulden!

  • #4

    Testfahrt? Vielleicht kennt ja der Eine oder Andere die Zeitschrift "Motalia". Dort wurde ein Artikel von mir zum Thema SWM Classic Gran Turismo veröffentlich.
    Ich stelle das mal hier paste/copy rein...


    Die Nummer 36 – SWM Gran Turismo 440


    Vor Weihnachten 2018 gab es in den verschiedenen Portalen einen italienischen Eintopf zum „Hammerpreis“.
    Als wir da hätten, einen Shineray-Motorblock mit Gilardoni-Zylinder, chinesische Chromteile und einen bekannten Koch Namens Ampelio Machi. Das Ergebnis landete als SWM Classic-Bikes auf dem europäischen Markt und auf Grund eines mir unerklärlichen Marketings dann auch für unter 3.000,- Euro auf den deutschen Speisekarten im Internet. Bei diesem Lockangebot brannten dann bei mir alle Geruchssinne durch. Ergebnis – eine SWM Gran Turismo 440 in der Garage, die Fahrgestellnummer xyz36, Jahrgang 2016.


    Nun entsteht die Frage, handelt sich um das Angebot eines Schnellimbisses mit Industriekäse auf Fertigpizza, oder doch um eine ehrenwerte Pizzeria oder Trattoria? Die Frage ist berechtigt, denn immerhin steht die Küche ja quasi auf heiligem Grund in Biandronno bei Varese in Italien, dort wo schon viele Highlights für Gourmets kreiert worden sind.


    Bei Ankunft habe ich die 150 SWM-Kilogramm erst mal in die Halle geschoben. Draußen stürmten Schneeflocken bei minus 10° um die Werkstatt, also nicht gerade eine Einladung zur Probefahrt.


    Kommen wir nun zur eigentlichen Kritik:
    - auffällig ist das gute Handling beim Schieben. Der hintere Haltebügel für den Sozius leistet hier prima Hilfe.
    - der Seitenständer ist eine Waffe (und wird in demontierter Form bestimmt von der Polizei im Zweifelsfall als Totschläger konfisziert), sehr massiv gebaut und darauf stützte sich die Gran Turismo bis zum Frühjahr hin unangetastet ab. Beim Ausklappen sollte man allerdings bei warmem Motor vorsichtig sein, sonst parkt man den linken Schuhabsatz auf dem Auspuff. Einen Hauptständer gibt es nicht.
    - die sehr stabilen blechernen Seitendeckel kann man im Notfall als Kochtopf verwenden. Dahinter verbergen sich links die Batterie mit den Sicherungen und rechts ein Ölreservoir mit Füllstandsanzeige.


    Bei den Recherchen in virtuellen Kochbüchern kamen immer wiederkehrende Kritikpunkte. Ich habe dann vom deutschen Importeur Zupin eine „to do“-Liste bekommen. Um hier kurz das Programm abzufrühstücken, es braucht:
    • eine neue Batterie, die mitgelieferte Ausführung (2015-17) ist Kernschrott
    • die neueste Motorsoftware sollte auf das Steuergerät aufgespielt werden
    • der originale Kettenschleifer ist aus einem gummiartigen Material, hier bietet SWM mittlerweile eine deutlich bessere Variante aus Kunststoff an
    • die Schutzgummiaufnahmen für die Seitendeckel müssen mit Kleber fixiert werden


    Darüber hinaus benötigten wirklich alle Gummiteile eine Grundpflege. Erschreckend wie trocken fabrikneue Gummis sein können, gefühlt Saale Unstrut Riesling Nordhang.


    Auf Grund einer Warnung im SWM Forum habe ich auch gleich die Schwingenachse gezogen und alles neu durchgefettet.


    Bei der Erstdurchsicht habe ich dann die große Lücke zwischen hinterem Schutzblech und vorderer Abdeckung mit einer EDPM-Gummifolie geschlossen. Dies bietet sich zum Dessert an, denn durch das Loch erreicht man die obere Befestigung des Kettenschleifers.


    April 2019 – Zeit für die Probefahrt.


    Also der Motor sprang auf Anhieb willig an und bollert dezent und angenehm vor sich hin. Die relativ hohe Leerlaufdrehzahl von 2000 U/pm kommentiere ich auf Grund der wenigen Kilometer noch nicht negativ. Ungewöhnlich ist die fehlende Option, das Motorrad im Stand warmlaufen zu lassen. Seitenständer ausgeklappt = die Benzinpumpe wird automatisch abgeschaltet.


    Die beim Kauf mitgelieferten Spiegel habe ich montiert, aber deren Durchmesser ist leider ein schlechter Witz. Hier besteht noch Umrüstungsbedarf. Nächste Frage, wohin mit den Fahrzeugpapieren, Bordwerkzeug oder auch nur einem Lappen? Es gibt weder ein Ablagefach, Stauraum oder eine Möglichkeit hinten Gepäck oder ein Topcase zu befestigen. Mal sehen, was mir dazu noch einfällt. Auch ein Helmhalter ist nicht mit an Bord.
    Und wie schmeckt dem Eintopf die Straße? Erstaunlich gut, die 22 kw. sind ab so 2700 U/min nutzbar, darunter hackt es an der Kette. Ab knapp unter 4000 Touren kommt Druck, der Motor hängt wirklich exzellent am Gas, die Reaktion kommt ansatzlos und füllig, ich bin positiv überrascht. Die Übersetzung ist landstraßengerecht, 80 km/h sind so 4000 Touren im fünften Gang, bei 100 km/h finden 5200 Kurbelwellenumdrehungen im Gehäuse statt. Irgendwo bei 7000 Touren verflacht die schöne Leistungskurve wieder. Die Response vom Gasgriff kommt wirklich direkt. Aber beim Gaswegnehmen fällt der Motor sofort in sich zusammen. Das Ganze wäre sicherlich mit RidebyWire sensibler zu regeln, aber kann man sowas für unter 3000,- Euros erwarten? Mehr Fleisch an der Kurbelwelle würde vielleicht helfen, ich hatte mir mehr Schiffsdiesel-Feeling vom Motor erhofft. Aber wo soll das herkommen bei 90 mm Bohrung und 70 mm Hub? Mein Gefühl sagt mir, dass dieser Eintopf sportlich bewegt werden will, es ist definitiv kein Cruiser.


    Den Stahlrahmen bringt nichts aus der Fassung. Bei Bodenwellen auf einer sehr schlechten Landstraßenkurve kam bei über 80 km/h keine Unruhe ins Fahrwerk. Gut, ich habe das nicht bei V-max. auf der Autobahn probiert, aber ich glaube auch dort dürfte das Michelin bereifte Fahrwerk ohne Fehl und Tadel sein. Die Gabel könnte vielleicht einen Tick weicher abgestimmt sein, aber hinten ist mit der maximalen Vorspannung bei 100 kg. Zuladung die Einstellung perfekt. Ach so, Bremsen kann man auch ohne ABS, vorne ist die Bremsleistung tadellos, hinten werde ich den Pedalweg noch ein wenig verkürzen.


    Die Sitzposition ist gut, der Lenker könnte eine Tick höher stehen. Ich denke, dass ich hier später versuchsweise Raiser montieren werde. Aber man sitzt auch so in aufrechter und entspannter Position. Der Tank ist vom Design her sicher gewöhnungsbedürftig. SWM hat ja deshalb wohl ein neues Design (Jahrgang 2018) entwickelt. Aber ich finde die alte, aber ungewöhnliche Tankform gut. Der Knieschluß gelingt perfekt, ohne Anspannung und inneren Zwang, das gefällt mir richtig gut. Die alte Tankform dürfte allerdings beim Scrambler Modell „Silver Vase“ ein Stehen in den Rasten unmöglich machen, also ist damit alles jenseits vom Feldweg „off-limits“.
    Zur Optik; das kommentiere ich mal wie folgt: es glänzt und blinkt, an Chrom und Edelstahl wurde nicht gespart. Aber die Chromschicht ist sehr dünn, an einer Stelle kamen bereits leichte Rostspuren durch. Die SWM wurde nämlich im Winter mit dem offenen Hänger geholt, ein paar Salzkörner der der Straße dürften hier leckere Blechnahrung gefunden haben.


    Und wer soll sich nun diesen italienisch-chinesischen Eintopf bestellen? Ich antworte mal anders, wenn ich meine Holde auf ein Motorrad setzen sollte, oder meine Tochter, oder jemand der völlig technikfremd ist, dann ist die SWM eine gute Empfehlung auf der kleinen italienischen Speisekarte für den schnellen Hunger. Ohne jeglichen elektronischen Firlefanz, fünf gut sichtbare farbige LED – Lämpchen für die wichtigsten Informationen, dazu ein Drehzahlmesser und ein Tacho mit weißem Zifferblatt im jeweils eigenen Chrombecher, und fertig. Was braucht man mehr? Nichts! O.k., ich habe vergessen, den digitalen km-Tageszähler und die kleine italienische Fahne im Cockpit aufzuzählen. Ansonsten, jeder Schalter ist da wo er hingehört, gut bedienbar und absolut intuitiv platziert.
    Als Vergleich hätte ich gerne eine Yamaha SR400 oder die Royal Enfield Probe gefahren, dann wäre die Beurteilung vielleicht objektiver ausgefallen. Mein Resümee, wer sich der SWM-Classic Baureihe annimmt, ein wenig mitdenkt und selber schraubt, der fand hier für wirklich wenig Geld ein schmackhaftes Menü aus der italienischen Küche. Der aktuell geforderte Listenpreis wäre mir allerdings deutlich zu hoch, um am Angebot Geschmack zu finden.


    Christoph H
    im Frühjahr 2019

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